Trump dereguliert im Rohstoffsektor Konfliktmineralien, Nahrungsmittelspekulation, Transparenz

Wirtschaft

In den letzten Jahren gab es im Rohstoffsektor einige Reformen. Die Obama-Administration erhöhte die Transparenz bei den Zahlungen von Bergbaufirmen und bei Konfliktmineralien. Und auch der Spekulation mit Nahrungsmitteln wollte sie beikommen.

Ölgewinnung im Niger-Delta, Oktober 2013. Allein in Nigeria sind über die letzten 50 Jahre schätzungsweise 400 Milliarden US-Dollar in dunkle Kanäle abgeflossen.
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Ölgewinnung im Niger-Delta, Oktober 2013. Allein in Nigeria sind über die letzten 50 Jahre schätzungsweise 400 Milliarden US-Dollar in dunkle Kanäle abgeflossen. Foto: Chebyshev1983 (PD)

10. April 2017
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Doch der neue US-Präsident Donald Trump zielt darauf ab, diese Reformen auszubremsen oder komplett rückgängig zu machen. Das kann gravierende Auswirkungen haben. Weniger Transparenz bei Zahlungsflüssen befördert Korruption und Steuervermeidung. Die Nahrungsmittelspekulation hat 2007/2008 und erneut 2010/2011 zur Explosion der Preise für Grundnahrungsmittel beigetragen. Weltweit mussten Menschen hungern, weil sie sich kaum noch Nahrungsmittel kaufen konnten. Es kam zu Hungeraufständen und zu den Protesten des arabischen Frühlings. Und die Konfliktmineralien sind in zahlreichen Ländern eine Einnahmequelle von bewaffneten Gruppen. Der Verkauf dieser Mineralien trägt zur Fortführung von bewaffneten Konflikten und zum Elend der Zivilbevölkerung in diesen Regionen bei.

Transparenz-Richtlinie im Rohstoffsektor

Trotz hartnäckiger Lobbyarbeit der US-Öl-Industrie erliess die US-Börsenaufsicht im Sommer 2016 eine Richtlinie, um für mehr Transparenz im Rohstoffsektor zu sorgen. Die neuen Transparenz-Richtlinien verlangen, dass alle an US-Börsen gelisteten Öl-, Gas- und Bergbaufirmen ihre Zahlungen an rohstoffreiche Länder offenlegen. Die Zivilgesellschaft hat diese Richtlinien als Meilenstein gelobt. Länder wie Kanada, Norwegen und die EU-Staaten verabschiedeten infolge der US-Initiative ähnliche Transparenz-Regeln.

Grössere Transparenz im Rohstoffsektor ist ein Baustein, um der Korruption und Steuervermeidung beizukommen. Werden Zahlungsflüsse wie Steuern, Förderabgaben (Royalties) und Lizenzgebühren offengelegt, ist die Veruntreuung von Geldern und die Steuerhinterziehung einfacher nachzuverfolgen. Bürger in rohstoffreichen Ländern können eher einschätzen, ob ihre Rohstoffe zu gerechten Konditionen verkauft werden.

Die internationale Zivilgesellschaft kämpft seit Jahrzehnten für diese Transparenz. Denn jährlich gehen den rohstoffreichen Ländern Einnahmen im mittleren zwei- bis dreistelligen Milliardenbereich verloren. Allein in Nigeria sind über die letzten 50 Jahre schätzungsweise 400 Milliarden US-Dollar in dunkle Kanäle abgeflossen. Diese Gelder fehlen dann, um Sozialausgaben zu finanzieren, die Infrastruktur zu verbessern oder lokales Unternehmertum zu fördern und dadurch Wege aus der Armut zu finden.

Die Republikaner argumentieren, dass grössere Transparenz die Wettbewerbsfähigkeit der US-Öl-Firmen schädigen würde. Sie wiederholen damit die Argumente, die US-Firmen schon seit Jahren gegen grössere Transparenz im Rohstoffsektor vorbringen. Doch Unternehmen, die in Kanada, Frankreich, Norwegen oder Grossbritannien schon Zahlungen offenlegen mussten, haben sich nicht über negative Folgen der Offenlegungspflichten beschwert. Europäische Firmen wie Shell, BP, Statoil, Eni oder Total sprechen sich sogar gegen die Abschaffung der US-Transparenz-Richtlinie aus, obwohl auch sie ihre Zahlungsflüsse ab Ende 2018 hätten offenlegen müssen. Es stellt sich also die Frage, was US-Firmen zu verbergen haben.

Die Entscheidung der US-Republikaner hat zudem einen faden Beigeschmack. Mit Rex Tillerson wurde unter Trump ein ehemaliger CEO von ExxonMobil zum US-Aussenminister. 2010 hatte sich Tillerson noch persönlich gegen die Transparenz-Gesetze eingesetzt.

Tod durch Nahrungsmittelspekulation

Ganz ähnlich ist die Situation bei der Regulierung der Nahrungsmittelspekulation. Der Dodd-Frank Act sieht hier Regeln vor, die schon 2012 beschlossen werden sollten. Doch auch in diesem Feld verzögerte die Wirtschaft, hier die Banken der Wall Street, den endgültigen Beschluss dieser Regulierung. Im Dezember 2016 schlug die zuständige Behörde zum vierten Mal eine Vorschrift vor. Dieser Regel zufolge sollte das Investitionsvolumen einzelner Investoren oder Fonds auf den Rohstoffmärkten begrenzt werden („Positionslimits“). Den Investoren wäre es verboten, durch hohe Kauf- oder Verkaufsorder den Marktpreis zu manipulieren. NGOs gehen davon aus, dass die Republikaner auch diese Regeln rückgängig machen werden.

Warum ist das ein Problem? Zwischen 2006 und 2008 stieg der durchschnittliche Weltmarktpreis für Reis um 217%, für Weizen um 136%, für Mais um 125% und für Soja um 107%. Der starke Preisanstieg führte dazu, dass Menschen hungern mussten oder gar den Hungertod starben, weil Nahrungsmittel für sie unbezahlbar wurden. Weltweit gingen zigtausende Menschen auf die Strasse, um gegen den immensen Preisanstieg zu protestieren.

Doch für den Preisanstieg war weder die steigende Fleisch-Nachfrage und die Verfütterung von Getreide an Tiere in China, noch die Nutzung von Lebensmitteln zur Biosprit-Produktion verantwortlich – wie häufig berichtet wurde. Denn Reis, also das Getreide mit dem grössten Preisanstieg, wird beispielsweise nicht für die Herstellung von Biosprit genutzt. Und die Einkommen in Asien steigen schon seit Jahrzehnten kontinuierlich. Dieser kontinuierliche Einkommensanstieg spricht gegen einen sprunghaften Anstieg des Fleischkonsums. Die Preisexplosionen bei Nahrungsmitteln kann durch diese Faktoren nicht erklärt werden.

Stattdessen gehen sowohl viele Wissenschaftler als überraschenderweise auch Finanzakteure selbst, also Broker, Analysten und Rohstoffhändler, davon aus, dass die Spekulation mit Nahrungsmitteln zur Preisexplosion führte. Drei von vier Spekulanten gaben in einer Foodwatch-Umfrage (mit 180 Befragten) an, dass ihr Handeln Auswirkungen auf die realen Preise von Nahrungsmitteln habe. Ein Broker aus Shanghai antwortete beispielsweise:

„Meiner Meinung nach ist die Spekulation einer der Hauptgründe für die extreme Preisvolatilität [Preisschwankungen]. Das ändert den Rohstoffmarkt so sehr, dass sowohl Landwirte als auch Endverbraucher verlieren“.

Ebenso wie 2008 gab es 2011 einen krassen Preisanstieg bei Nahrungsmitteln. Einige Wissenschaftler behaupten sogar, dieser Preisanstieg, bedingt durch Nahrungsmittelspekulation, sei eine der Ursachen des Syrien-Kriegs. Selbst wenn man diese Einschätzung nicht teilen will, führt Nahrungsmittelspekulation zu Hunger, Armut und schränkt die Entwicklungsperspektiven der betroffenen Länder ein.

Wenn die Trump Administration die von der Fachbehörde vorgeschlagene Vorschrift zur Eindämmung der Nahrungsmittelspekulation blockiert, dann bleiben die US-Börsen ein Hort der Spekulation. Ein weiteres Problem dabei ist: Trump und sein Team werden nicht nur die angedachten Regulierungen zur Nahrungsmittelspekulation aller Voraussicht nach stoppen. Vielmehr lehnen Trump und seine Berater – häufig ehemalige Banker und Private Equity-CEOs – den kompletten Dodd-Frank Act zur Regulierung der Wall Street ab. Und mit jeder Axt, die sie an schon beschlossene oder geplante Regulierungen ansetzen, nähern wir uns dem „nächsten Finanzcrash, der den letzten klein aussehen lassen wird“, wie es Dennis Keheler von Better Markets sagt.

Konfliktmineralien

Auch eine Reform zur Eindämmung des Handels mit Konfliktmineralien scheint Trumps Administration verändern oder komplett aufheben zu wollen – wie aus einer geleakten Executive Order hervorgeht.

Coltan, Zinn, Gold, Wolfram – diese vier Rohstoffe sind eine Geldquelle für bewaffnete Gruppen in Kriegsgebieten wie beispielsweise im Ostkongo. Zwar haben die bewaffneten Gruppen nicht wegen der Rohstoffe zu den Waffen gegriffen und sie haben auch andere Finanzierungsquellen. Gleichwohl gilt der Abbau und der Handel mit Konfliktmineralien unter Experten als wichtige Quelle, mit Hilfe derer bewaffnete Gruppen neue Waffen und neues Kriegsgerät kaufen. Konfliktmineralien tragen häufig dazu bei, dass Kriege andauern und es zu mehr zivilen Opfern kommt.

Um diesem Problem Einhalt zu gebieten, beschloss die Obama-Administration, dass Unternehmen darüber öffentlich berichten müssen, ob Konfliktmineralien aus der DR Kongo und ihren neun Nachbarstaaten in ihren Produkten verbaut werden. Zudem müssen die Unternehmen dafür Sorge tragen, ihre Lieferketten von Konfliktrohstoffen zu säubern. Menschenrechtsorganisationen loben diesen Beschluss. Denn westliche Firmen und Konsumenten gehören zu den Hauptverbrauchern der vier Rohstoffe, die in Handys, Computern, Autos und zahlreichen weiteren Alltagsprodukten enthalten sind. Somit hat der Westen eine besondere Verantwortung für den Abbau und den Handel dieser Rohstoffe.

Es gibt aber auch Kritik an den von der Obama-Administration ausgearbeiteten Regelungen. So moniert die US-Börsenaufsicht, dass die „Nachweispflicht zu einem faktischen Boykott von Mineralien aus Teilen Afrikas“ geführt habe. Einige westliche Unternehmen machen also einen Bogen um den Kongo und seine Rohstoffe. Sie befürchten Reputationsrisiken, wenn sie weiterhin im Kongo Rohstoffe kaufen und nicht sicher sein können, ob es sich dabei um Konfliktmineralien handelt. Unklar sei auch, ob die Regeln überhaupt die Macht bewaffneter Gruppen einschränken da diese auch andere Finanzierungsquellen haben. Zudem wird kritisiert, dass die sinkende Nachfrage einige Minen in den Ruin getrieben hätte und dadurch die Arbeitslosigkeit in der DR Kongo weiter angestiegen sei.

Dem wäre entgegenzuhalten, dass immerhin eine Finanzquelle ausgetrocknet würde, wenn der Handel mit Konfliktrohstoffen begrenzt wird.

Trotz dieser Kritik an der geplanten Konfliktmineralien-Regelung stellt sich die Frage, ob Trumps Administration nach der selbst gesetzten 180 Tage-Frist wie zugesagt mit einer besseren Regelung aufwarten kann. Trumps Direktive des America first lässt vermuten, dass er eine vage Regelung vorschlägt, die amerikanischen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil gegenüber europäischen verschafft. Denn auf EU-Ebene wurde 2016 eine Verordnung beschlossen, die zumindest einige Firmen zu grösserer Sorgfalt beim Handel mit Rohstoffen aus Konfliktregionen verpflichtet.

Fazit

Während sich die Medienwelt auf den vermeintlich heraufziehenden Handelskrieg Trumps mit China und Deutschland konzentriert, werden seine Pläne im Rohstoffbereich kaum beachtet. Dabei kann die De-Regulierung der Finanzmärkte, hier am Beispiel der Nahrungs- und Rohstoffspekulation beschrieben, zu einer neuen Blase ungekannten Ausmasses führen.

Und für die Gesellschaften des globalen Südens droht Trumps Politik im Rohstoffbereich ähnlich gravierende Folgen zu haben. Die Nahrungsmittelspekulation verzerrt die Preise und kann im schlimmsten Fall zu Hunger und verstetigter Armut führen.

Doch die Spekulation mit Rohstoffen kann auch makroökonomisch Ungleichgewichte verstärken. Fehlende Transparenz im Rohstoffsektor ist eine Ursache für Korruption und schlechte Regierungsführung. Und der Handel mit bestimmten Mineralien perpetuiert Konflikte.

Nico Beckert
zebralogs.wordpress.com